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Mittwoch, 2. Dezember 2015

Weihnachtsshopping mit siroop?

Vor einigen Tagen ging die Betaversion des neuen Schweizer Onlineshops siroop online. Das Joint Venture von Coop und Swisscom soll den schweizerischen Onlinehandel aufmischen und will insbesondere Amazon herausfordern. Das Angebot soll ähnlich umfassend werden wie dasjenige von Amazon. Diesen Giganten anzugreifen ist sicherlich ein ambitioniertes Ziel, Swisscom und Coop sind jedoch auch keine Nobodys, es lohnt sich also, das Projekt mal unter die Lupe zu nehmen.

Screenshot https://siroop.ch/


Fangen wir bei den allgemeinen Bedingungen an. Siroop bietet kostenlose Lieferung per B-Post, A-Post ist gegen Bezahlung ebenfalls möglich. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, sich die gewünschten Artikel an eine Pick-up-Station zustellen zu lassen. Diese gibt es bisher nur in der Region Bern, vorwiegend in Coop-Filialen oder Filialen von Tochtergesellschaften von Coop. Wenn dieses Netzwerk schweizweit etabliert wird kann es sicherlich von der grossen Verbreitung von Coop-Filialen profitieren. Bezahlen kann man bei siroop entweder per Rechnung oder Kreditkarte. 

Schauen wir die Strategie von siroop etwas genauer an. Wie bei Amazon bietet siroop einerseits selber Artikel an, bietet aber auch anderen Händlern die Möglichkeit, ihre Produkte über die Plattform zu vertreiben. Dies ist eine grosse Chance für kleinere Händler, für die das Betreiben eines eigenen Webshops zu teuer oder aufwändig wäre. Allerdings gibt es bei diesem Konzept einige Probleme, die auch bei Amazon bekannt sind. Beispielsweise werden sich die Händler den Lieferbedingungen von siroop fügen müssen. Insbesondere das bedingungslose Rückgaberecht in den ersten 14 Tagen könnte für kleine Händler zum Problem werden. Das Problem, dass Kunden massenhaft Artikel bestellen, die sie eigentlich gar nicht wollen ist in der Branche bekannt. Selbst Riesen wie Amazon und Zalando kämpfen mit dem Problem.  Bei Zalando werden angeblich bis zu 50% der Artikel retourniert, Amazon sperrt mittlerweile User, die überdurchschnittlich viele Retouren generieren. Eine Retourenquote von 50% generiert immense Kosten für die Händler, Artikel können beschädigt sein oder verloren gehen. Der Versand wird ebenfalls nicht vom Kunden übernommen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass siroop diese Kosten für die Händler trägt. Ein weiteres Risiko dieser Zusammenarbeit sind Interessenskonflikte in der Preisgestaltung. Was passiert, wenn ein unabhängiger Händler ein Produkt, das ebenfalls von siroop angeboten wird zu einem niedrigeren Preis einstellt? Muss siroop reagieren? Darf siroop reagieren? Amazon hat Algorithmen, die bei solchen Preisdifferenzen das eigene Angebot automatisch anpassen. Für Händler ist dies natürlich eine Katastrophe und führt zu endlosen Negativspiralen bis der Kleine nicht mehr mitziehen kann. 

Diesen Umstand könnte siroop nutzen, um für Händler attraktiver zu werden als Amazon. Amazon hat den Ruf, kompromisslos eigene Interessen über diejenigen der Marketplace-Händler zu stellen. Siroop hat aus unserer Sicht nur eine Chance, wenn es gelingt, eine grosse Anzahl Händler von der Plattform zu überzeugen. Dazu müssten sie den Händlern bessere Bedinungen bieten als Amazon, das heisst vielleicht in manchen Situation auch, den eigenen kurzfristigen Gewinn dem Anbieter-Marketing unterzuordnen. Ohne ein umfassendes, attraktives Angebot wird die Plattform mangels Kundennutzen untergehen.

Aber wie attraktiv ist das Angebot von siroop bisher? Unsere Kommilitoninnen Céline und Shanay sind dieser Frage in ihrem Post nachgegangen und zum Schluss gekommen, dass siroop in diesem Bereich nicht mit anderen Anbietern mithalten kann. Leser der gängigen Newsportale kommen zu einem ähnlichen Schluss und schreiben die Plattform bereits komplett ab. Der Preis ist durchaus ein zentraler, wenn nicht sogar der wichtigste Faktor im Onlinehandel. Aber bevor man siroop schon als Flop verschreit sollte man sich noch einmal in Erinnerung rufen, dass sich der Shop in der Betaphase befindet. Es sind bisher fast nur eigene Angebote von siroop vorhanden, damit die Funktionalität der Plattform getestet werden kann. Wenn es gelingt, zusätzliche Händler auf die Plattform zu bringen ist es durchaus denkbar, dass konkurrenzfähige Preise angeboten werden. Der Kunde hätte so auf einer Plattform verschiedene Angebote und kann das attraktivste auswählen.
Der Kunde kann die unterschiedlichen Angebote vergleichen und das attraktivste auswählen. (Screenshot siroop via http://blog.carpathia.ch/2015/11/24/siroop-ch-jetzt-als-beta-gestartet/

Die erste Version von siroop konnte in den Kommentarspalten noch keine Begeisterungsstürme auslösen.
Einige Leserkommentare zu siroop (Screenshots 20min.ch und blick.ch)

Der Tenor auf den Newsportalen ist (wie bei den meisten Themen) kritisch bis gehässig, unsere Kommilitonen sind sich auch grösstenteils einig, dass noch einiges an Nachholbedarf besteht. So hat beispielsweise Martin die Suchfunktion getestet und festgestellt, dass ihm alles mögliche angeboten wurde, nur leider nicht die farbigen Partylampen, wonach er eigentlich gesucht hat. Luca und Simone kritisieren den Aufbau der Seite als zu umständlich. Auf genau solche Hinweise ist siroop zur Zeit angewiesen. Sinn und Zweck einer Betaphase ist es, dass die Seite von echten Kunden getestet wird und ihre Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden. So wird man beim Navigieren auch immer wieder dazu aufgerufen, Feedback zu geben. Unter siroop.ch/feedback befindet sich zusätzlich eine Umfrage, wo die Kundenbedürfnisse genau untersucht werden sollen. Hier geben sich die Betreiber grösste Mühe, Kenntnisse zu gewinnen, um diese dann auch nutzen zu können.

Nach eingehender Lektüre der Reaktionen kann man sagen, dass die meisten Schweizer wohl noch nicht ganz verstanden haben, was eine Betaphase ist. Vor allem auf den Newsportalen werden eigentlich nur Punkte kritisiert, die offensichtlich auf die Betaphase zurückzuführen sind. Keine Angst, siroop hat auch schon bemerkt, dass es wohl nicht reichen wird, nur in Bern Pick-up-Stationen anzubieten. Dafür benötigen sie keine aggressiven Kommentare der 20minuten-Leserschaft. Ein komplexes Projekt wie die Lancierung eines Online-Marktplatzes kann nicht von Anfang an perfekt durchgeplant werden. Die Kundenfeedbacks sind Teil des Entwicklungsprozesses und nicht zwingend ein Anzeichen des Scheiterns. Entscheidend wird sein, wie und in welcher Zeit Veränderungen umgesetzt werden. Allzu lange darf es jedoch nicht dauern, die Kundschaft ist kritisch und will beeindruckt werden. Leicht wird es für siroop sicherlich nicht. Um Kunden, die sich gewohnt sind bei Amazon, Galaxus oder wo auch immer zu bestellen von ihrem Onlineshop wegzulocken braucht es gute Argumente. Sind die Preise nicht konkurrenzfähig ist es eigentlich schon praktisch unmöglich. Die Lieferbedingungen können mit den gängigen Anbietern mithalten, mehr aber auch nicht. Eine Differenzierung ist in diesem Bereich auch kaum mehr möglich, weil praktisch alle mittlerweile Gratislieferung und –retouren anbieten. Man darf gespannt sein, ob siroop die Jahresrechnung von Coop und Swisscom zu versüssen vermag oder ob der Sirup in den Fluten des Amazonas untergeht. Mit dem Namen, der unvermeidlich zu mehr oder weniger originellen Wortspielen einlädt ist ihnen zumindest schon mal ein grosser Wurf gelungen.

Weihnachtsshopping auf siroop wird vielleicht wegen des kleinen Angebots noch schwierig, aber wie erwähnt befindet sich der Shop noch in der Betaphase. Also vielleicht nächstes Jahr? Das Potenzial besteht jedenfalls, wir würden das Projekt noch nicht komplett abschreiben.

Viel Spass euch beim Ausprobieren und bis bald!

Manu & Beni 

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